Bilder erzählen eine Geschichte

Gute Bilde erzählen eine Geschichte, sagen viele meiner Fotografenkollegen. Leider ist es für uns Fotografen schwierig, dies den Betrachter rüberzubringen. Heut zutage werden wir überflutet von Bildern, täglich. Ob WhatsApp, Instagram, Facebook und mehr. Unser Gehirn wird ständigen mit neuen Bilder konfrontiert. Viele versuchen ihr bestes Bild, groß, bunt und möglichst außergewöhnlich, zu posten. Die Konsequenz ist folgerichtig, wir schauen oft nicht mehr genau hin. Ach ist das schön, tolle Farben, gute Bildaufteilung, schnell ein Like und weiter zum nächsten Bild. So geht oft die Geschichte einer Bildkomposition, die ein guter Fotograf bezwecken will verloren. Ich möchte hier keinem einen Vorwurf machen, so ist es halt in unserer schnelllebigen Welt.

Wie kann man als Fotograf dagegen steuern? Ein schwieriges Unterfangen. Auf den sozialen Medien, sehe ich keine Chance. 

Anhand von paar ausgewählten Bildern von mir, möchte ich Ihnen auf dieser Seite meine Motivation für die Auslösung der Kamera erläutern. 


+++ Jede Woche ein neues Bild und die Geschichte dazu +++

 

„Hühnerverkäufer wartet auf Kunden“ 

Irgendwo in den Gassen von Chennai, Februar 2006

 

 

Vier Monat verbrachte ich dienstlich in Indien, mit einem kleinen Team. Unsere Arbeit erfolgte in vielen Großstädten Indiens. Unteranderem Chennai, an der Westküste des Pazifischen Ozean. Wir hatten an einem Nachmittag einen Termin bei einer Software Firma. Wie üblich ging es mit einem Taxi zum Besprechungsort. Mit einem gemietetem PKW zu fahren, ist für uns Europäer ein nicht zu empfehlendes Unterfangen. Zu wuselig ist der Verkehr, Straßenbeschriftungen nicht, oder teilweise vorhanden. Wir waren diesmal zu früh vor Ort. Ich beschloss die Zeit zu nutzen, um in den umliegenden Gassen mich umzuschauen. Meine Canon Ixus 55 hatte ich dabei. Das Problem besteht in Indiens Großstädten, die Orientierung zu behalten. Schnell geht sie für Auswärtige verloren, und 2006 gab es noch nicht Google Maps in Verbindung mit Smartphones. Ich wurde getrieben von Neugier. Zu verlockend doch noch den nächsten Straßenzug zu erkunden. Neben vielen kleinen Straßenläden entdeckte ich den Hühnerverkäufer. Ich zeigte auf meine Kamera und signalisiert ihm, darf ich dich fotografieren? Ein kurzes Nicken von ihm und ich drückte ab. Dann war es doch passiert. Wo ging es zum Besprechungsort? Panik kam auf. Mit Glück fand ich die richtige Straße. Von Weitem winkten mir meine Kolleginnen und Kollegen nervös zu. Nun waren wir, durch meine Neugier, statt zu früh verspätet beim Termin.

Das Bild war auch ein Bestandteil meiner Ausstellung "In den Augen Indiens" an der VHS-Wolfsburg im Jahre 2012. Die Canon Ixus 55 besaß 5 MB. Über eine solche Auflösung würde man heute lachen. Trotzdem, für gute Bilder ist nicht immer High-Tech nötig.

 

Was macht für mich das Bild so sehenswert? Es spiegelt die Gelassenheit der Menschen in Indien wieder, bei aller Hektik auf den Straßen drumherum. Der ein oder andere Betrachter hierzulande wird amüsiert sein. Schau dir mal das Schild an, wie schief es steht und die Farbe schon ramponiert. Das geht ja gar nicht bei uns. Ein anderer wird sich empören, die armen Hühner zusammengepfercht im engen Käfig, das wäre bei uns verboten. Und natürlich darf nur der Hahn frei rumlaufen, typisch. Ein anderer wird neugierig auf eine andere Kultur mit vielen farbigen Facetten. Und es gibt beim genauerem Betrachten einiges mehr zu entdecken. So ruft das Bild unterschiedliche Emotionen bei den Betrachtern hervor.

Für mich gibt es noch den fotografischen Aspekt. Die Bildaufteilung, der Blickwinkel, die Erfassung des Momentes im richtigen Augenblick. Ich musste schnell und bewusst entscheiden. Der Hahn auf dem Käfig, der seine Hennen beschützt. Und zuletzt noch ein Dankeschön an meinen Hühnerverkäufer, für seine gelassene Pose, die so authentisch rüberkommt.


 

„Elemente duellieren sich (aus Land unter von Herbert Grönemeyer)“ 

Sonnenuntergang nach einem Gewittersturm, Estland Mai 2017

 

Eine Woche Natur pur. Eine Woche meine Leidenschaft "Fotografieren" auszuleben und die Natur zu genießen, das versprach diese Tour. Estland im Mai 2017. Herrliche Küstenlandschaften, Wälder und Moore bedecken das kleine, feine Land. Naturschutz und Nationalparks werden groß geschrieben. Auf gepflegten Wanderwege, teilweise auf Holzstegen, kann die Natur entdeckt werden. Bären, Elche, Bieber, Wölfe und mehr, finden hier noch ihren natürlichen Lebensraum. Unsere Basisstation lag an der Rigarer Bucht. Keine 200 Meter vom Meer entfernt. Der moderne Bau mit vielen Glasfenstern ermöglichte uns immer den Blick in die Natur.

 

Wir saßen zum Abendessen zusammen. Ein kurzes, heftiges Gewitter zog über uns hinweg, mit Hagel und Sturm. Aber das Ende war in Sicht und der finale Sonnenuntergang versprach grandios zu werden. Hastig nahm ich mein Abendessen ein. Es gab kein Halten mehr für mich, Kamera geschnappt und raus an den Strand entlang, um das Farbenspektakel zu genießen und mit der Kamera festzuhalten. Eine sehr imposante Serie an Bildern entstand. An einer Stelle mit Strandgut, dann mein Lieblingsbild. Das angeschwemmte Holz, von den Naturgewalten an den Strand gelegt, dahinter das Ringen der Sonne mit dem abziehenden Gewitter. Beim betrachten des Bildes, muss ich an das Lied "Land unter" von Herbert Grönemeyer denken. Ein Auszug aus dem Lied, "Elemente duellieren sich", wäre der passende Titel für dieses Bild.


 

„Wohlstand ist relativ“ 

Ein Ort auf den Kapverden, Februar 2019

 

Kapverden erlebt zurzeit einen touristischen Boom. Nachdem die Kanaren durch hässliche Hotelburgen, samt überfüllten Stränden, einen unrühmlichen Ruhm genießen, hat die Touristik Branche dieses Archipel entdeckt. Und leider hat man aus den Fehlern nicht gelernt. Auf Boa Vista und Sal werden Touri Burgen aus dem Boden gestampft. Kilometer weite Sandstrände mit herrlichen Möglichkeiten für Wassersport jeglicher Art, locken so neue Touristenströme an. Völlig isoliert vom Rest der Inselbewohnern und der grandiosen Natur. Es profitieren nur TUI und Co, der Gewinn bleibt im Landesinnere außen vor.  

Wer die Kapverden authentisch bereisen will, muss Abstriche vom europäischen Hotel Standard nehmen. Kapverden ist ein wasserarmes Land. Gerade Boa Vista und Sal. Dort werden die Tourihochburgen mit Meerentsalzungsanlagen mit dem nötigen Nass versorgt. Duschen, kein Problem. Bei den landesüblichen Hotels, sollte man mit Ausfall des Wasserstrahl beim Duschen rechnen. Auch kulinarisch gibt es große Unterschiede. Nie zuvor habe ich so leckeren, fangfrischen Fisch gegessen in den 14 Tagen. In den Touristenburgen wird das Essen jeden Tag aus Portugal eingeflogen. Und wer mit den immer freundlichen Menschen in Kontakt kommt, möchte den in "Anführungsstrichen" Pauschalluxus mit all inclusive nicht missen.

Aber man wird auch mit der Armut des Landes konfrontiert. Wie schon oben erwähnt, das Geld für den Tourismus bleibt den einfachen Menschen verwehrt.

 

Auf der Insel Santiago im Ort Pedra Badejo hatten wir unser Basisquartier. Ein Ort, weit weg von touristischen Hotspots. Entsprechend arm, das Umfeld in unserer Nähe. Betreut wurden wir in der Zeit von Dr. Herbert Bödendorfer und seiner Frau Eva. Beide verbringen jedes Jahr eine gewisse Zeit auf den Kapverden. Sie engagieren sich vor Ort für viele soziale Projekte. So erstatteten wir an einem Tag einen Besuch, in der Nähe unserer Unterkunft, zu einem naheliegenden  Kindergarten ab. Auf dem Weg dorthin habe ich dieses Bild gemacht. Ich muss gestehen, dass ich überlegt habe auf den Auslöser zu drücken. Wollte nicht als Wohlstandstourist, die Armut in einem kulturell fremden Land abbilden. Aber im Nachhinein tat ich es doch. Ich glaube, mit meiner oben beschrieben Beschreibung, bekommt das Bild auch seinen richtigen Stellenwert.

Im April 2020 kam man auf mich zu, eine Bilderausstellung im Rahmen des jährliche Afrikafestivals in Salzburg zu gestalten. Kapverden war das Themenland. Ich bin mit dem Veranstalter die Bilder durchgegangen. Auch dieses Bild haben wir diskutiert. Es wäre Bestandteil der Ausstellung gewesen. Leider kam Corona  dazwischen und somit die Absage öffentlicher Veranstaltungen. Mein Traum, von einer ersten Ausstellung außerhalb Deutschland, war Geschichte.

 

Ich hatte für den Kindergarten nur leichtes Fotogepäck mit. Meine Kamera und meine Festbrennwiete 100mm, F2,8. Also kein Objektiv, das man wählen würde, um Straßenfotografie zu betreiben. Auch benutzte ich, entgegen der Schulfotografie, eine offenen Blende (F2,8). Der Fokus wurde auf den Mann gelegt. Somit verschwimmt der Vorder- und Hintergrund leicht. Dies bewirkt eine mittige Fokussierung und einen mystischen Look. Das Bild wurde von mir nur sehr minimal bearbeitet.

Hätte ich das Bild so gemacht, wenn ich mein Standardobjektiv dabei gehabt hätte?


 

„Jung und Alt“ 

An einem geschichtsträchtigen Ort, Februar 2019

 

Wir gingen am späten Nachmittag die schmale Straße entlang, an restaurierten Häusern vorbei. Die älteste europäische Straße außerhalb Europas, befindet sich in dem kleinen Ort Cidade Velha auf der Insel Santiago der Kap Verde. Auf ihr stolzierte schon Christoph Columbus, Francis Drake und andere berühmte Seefahrer. Anfang 1400 suchten die Portugiesen, im Auftrag ihres Königs „Heinrich der Seefahrer“, den Seeweg nach Indien. Die Inseln wurden so auch von den Portugiesen 1456 entdeckt, oder wiederentdeckt (alte schriftliche Berichte der Entdeckung durch die Phönizier im Jahr 800 vor Christi konnten durch archäologische Funde noch nicht bestätigt werden). Für die Portugiesen eine strategische Station zur Kontrolle der Handelswege von Europa und Asien. Später wurden die Inseln Kap Verdens zur Drehscheibe des unrühmlichen Sklavenhandels. Seit 2009 gehört Cidade Velha zum UNESCO-Weltkulturerbe.

 

Ein paar Jungen spielten unbeschwert mit einem selbstgebauten Tischkicker. Sie nahmen keine Notiz von mir. Eine ältere Dame kam die Straße hoch. Nun wartete ich ab, um Jung und Alt auf ein Bild zu bekommen. Die lange Verschlusszeit ließ die abgehakten Bewegungen der Dame verschwimmen. Genau so wollte ich es haben. Im Vordergrund die spielende Jugend, im Hintergrund die alte Dame, die die Vergänglichkeit symbolisiert, auf dieser geschichtsträchtigen Straße.